Donnerstag, 30.9.2021 Segovia - Toledo

 Warum bin ich in Segovia? Ich möchte jetzt antworten: weil es mich geschichtlich interessiert. Aber nicht ganz. In der Vorbereitung bin ich ganz klar auf die Stadt gestoßen und habe mir angelesen, was ist hier alles zu sehen gibt. 

Eigentlich aber ist meine Motivation viel älter. Wenn ich ehrlich bin kommt sie aus dem Studium der Asterix-Hefte in meiner Jugend. Majestix, der Häuptling des gallischen Stammes, hat er einen Running-gag. Immer wenn er auf Alesia angesprochen wurde, wurde er wütend und behauptete er wüsste gar nicht, was Alesia ist. Der Geschichtskenner weiß natürlich, dass damit die große Schlacht der Gallier 50 vor Christi Geburt meint ist. Aber da die Gallier da verloren haben, will sich Majestix nicht erinnern. In dem Heft „Asterix in Spanien“ treffen die Helden auf einen spanischen Häuptling. Und der hat das gleiche Problem mit der Stadt Segovia. Auch hier hat eine Schlacht stattgefunden, an die er sich nicht erinnern will. Soweit also meine fundierten Geschichtskenntnisse.



Wenn man aber was aktuelles über Segovia wissen will: hier leben ca. 50.000 Menschen in einer durch Agrarwirtschaft geprägten Umgebung. Aber durch das Aquädukt und den Alkazar ist die Stadt natürlich auch touristisch geprägt. Hier sehe ich zum 1. Mal in Spanien auch eine Beschilderung (neben Spanisch und Englisch) in Chinesisch. Der Name leitet sich aus dem Keltischen ab und bedeutet so viel wie „Siegeshöhe“. Die Stadt liegt auf ca. 1000m Höhe.


Die Fahrt nach Segovia war okay. Der Zug war wie gesagt pünktlich, und es war wie immer ein moderner, sauberer und sehr schneller Zug. Aber es gab eine Irritation: mir war nicht klar, dass der Zug sehr weit außerhalb von Segovia hält. Also habe ich zuerst mal Stress bekommen. Aber dann stellte sich heraus, dass ein Bus alle 10 Minuten in die Stadt fährt. Und der hält auch noch 200 m entfernt von meiner Herberge. 

Als der Bus dann Richtung Altstadt fuhr und um eine Ecke kam, konnte man das Aquädukt sehen. Wow! So gigantisch hatte ich es mir nicht vorgestellt. 










Das war ja ein guter Anfang! Ich ging über eine kleine Kopfsteinpflasterstraße in Richtung meiner Herberge, und die hat mich für alles entschädigt, was gestern vielleicht falsch war. 

Ein sehr freundliches Haus, mit sehr freundlichem Personal und ein total schönes Zimmer. Ich habe dann nur mein Gepäck abgeworfen und bin Richtung Aquädukt gegangen. Es ist wirklich sehr spannend so viele Jahre Geschichte aus so dichter Nähe zu sehen. Es ist überwältigend, wie dieses Bauwerk sich durch das Tal zieht. 

Aber das war doch nicht alles, ich ging langsam in Richtung Innenstadt und auch da wurde ich sehr positiv überrascht. Wunderschöne kleine Straßen, kleine Plätze, viele Kirchen, und dann schließlich die Kathedrale. Aber eins nach dem anderen. Erst mal bin ich in ein Café gegangen und habe mir da eine Tasse Kaffee gekauft und mich in den Schatten gesetzt. Das Wetter ist gigantisch schön, immer noch 22-23°, und das fühlt sich, wenn man treppensteigen muss, sehr viel wärmer an. Als ich dann so gemütlich saß und meine Mails checkte, erhielt ich leider eine schlechte Nachricht: die Eisenbahner hier in Spanien sind auch im Streik! Man informierte mich, dass meine Züge eventuell ausfallen würden, dass ich dann aber mein Geld zurück erhalten würde. Das tröstet mich nicht sehen, weil ich die Kosten für die Hotels, die ich bereits gebucht habe, nicht wieder sehen werde. Und das ist deutlich mehr! Aber erst mal abwarten, wie sich die Lage entwickelt!








Nachdem ich gut geschlafen hatte, habe ich ein kleines Frühstück eingenommen uns bin in die Stadt gegangen in Richtung Kathedrale. Als sie dann um 9:30 Uhr aufmachte, war ich einer der ersten Besucher und konnte mir das Haus in Ruhe ansehen. Auch hier konnte ich feststellen, dass die Spanier wirklich Kirchen bauen können. Auch diese Kathedrale ist riesengroß und unglaublich hoch. Weit oben gibt es zwei Reihen mit bunten Fenstern die das Ganze in ein sehr schönes Licht tauchen. Eine Besonderheit hier: die Kapellen an den Seiten sind alle zugänglich. Einige von Ihnen (das sieht man an den Grabplatten) werden auch heute noch als Grabstätten benutzt. Alles ist wie immer unglaublich reich geschmückt mit sehr großen Bildern und Figuren. In eine Ecke sitzt eine Schulklasse und wird von einer Lehrerin mit gedämpfter Stimme unterrichtet. Die Schüler und Schülerinnen sind alle in Schuluniform und hören bedächtig zu. Ein schönes Bild!








Was mich sehr erstaunt, ist, dass hier relativ wenig Menschen reinpassen. Wenn man sich die Bestuhlung ansieht sind das vielleicht maximal 2-300 Menschen, die hier Platz finden.

Es gibt noch mehrere Nebenräume mit Ausstellungen von sakrale Kunst und mit Ausstellungen der Gewänder, die die Priester in den lange zurückliegenden Jahren getragen haben.


Natürlich gab es auch hier eine Möglichkeit, auf den Turm zu steigen, aber ich wollte es dann doch nicht übertreiben. Außerdem stand in der Beschreibung, dass der Weg nach oben über etwas über 200 Stufen verläuft und das in einer sehr engen und sehr dunklen Wendeltreppe, die nur 70 cm breit ist. Für klaustrophobische Menschen nicht geeignet.






Zweites Highlight neben dem Aquädukt ist eindeutig der Alkazar. Ich laufe noch mal durch die ganze Stadt vorbei an der Kathedrale und bin dann 20 Minuten später den Berg hoch gelaufen, wo dieses riesige Schloss steht. 


Der Reiseführer weiß zu berichten, dass dieses Schloss Walt Disney inspiriert hat zu der Animation für seinen seine Geschichte „die Schöne und das Biest“ . Gut nachvollziehbar. 


Einerseits wegen der Lage hoch über dem Tal, andererseits aber auch wegen seiner pittoresken Gestaltung. Es ist sehr viel anders als die Schlösser die ich noch vor nicht langer Zeit in Rumänien gesehen habe. Die waren deutlich verspielter, kleinere Räume, mehr Licht.Hier ist es eher so wie in den Kathedralen: alles ist sehr groß. Es gibt einen sehr großen Thronsaal mit den beiden Thronen der beiden Herrscher, es gibt einen noch viel größeren Ratssaal und andere repräsentative Räumlichkeiten. Alles ist reichlich geschmückt mit Schnitzereien, Teppichen und Bildern. Zwischendurch immer wieder Fenster oder Balkone mit dem grandiosen Blick nach draußen. 










Anders als bei den Schlössern in Rumänien, kann ich mir nicht so gut vorstellen, dass hier jemand gewohnt hat. 


Etwas später führte mich der Weg auch raus ins Freie. 

Wenn man hier an die Brüstung geht und nach unten schaut, wird einem schnell schwindlig. Interessant ist auch ein Schlafzimmer an dem ich vorbeikomme: das Bett ist so hoch wie die heutigen, modernen Boxspringbetten. Man kann leider nur einen kleinen Teil des Schlosses besichtigen, die meisten anderen Bereiche sind nicht freigegeben. Wahrscheinlich sind das aber die interessanteren!


Neben dem Schloss, in ziemlich großer Höhe, kreisen ein paar Raubvögel. Zum Fotografieren sind sie leider zu weit entfernt.


Auch eine Waffensammlung darf nicht fehlen es sind große Kanonen zu sehen, Schwerter, eine Armbrust und natürlich viele Ritterrüstungen.










In dem Schloss war auch eine Artillerieschule untergebracht. Hier wurde schon in frühen Zeiten geforscht, wie man Kanonen herstellt, wie man das nötige Schwarzpulver oder den nötigen Treibsatz erzeugt, welche Projektile man benutzt und letztendlich wurde hier auch viel über Ballistic geforscht. Es sind viele Exponate die diese Waffen betreffen, aber auch viele Bücher werden gezeigt, in denen die ganzen Forschungen dokumentiert wurden. Man hat sich sehr viel Mühe gegeben (schon damals) andere Menschen ein Leid zuzufügen.

Am Schluss der Runde habe ich mir dann noch was Besonderes gegönnt: die Besteigung des hiesigen Turms. 150 Stufen, jede circa 25 -35 cm hoch und eine teilweise sehr enge Wendeltreppe.

Mit ca. 10 anderen Touristen ging es erst mal über normale Treppen auf die obere Ebene, die wir ansonsten leider nicht besichtigen durften. Dann ging es noch mal eine Etage höher und wir standen vor dem Eingang zur Wendeltreppe. Die war wirklich sehr eng und die Stufen waren auch ziemlich hoch. 

Es ist ein wenig unangenehm, mit so vielen Leuten, dicht auf dicht, so eine Treppe zu besteigen. Der Mann vor mir kam schnell außer Atem und blieb dann dauernd stehen. 












Aber schließlich erreichten wir das oberste Level und wurden belohnt mit einem überragenden Blick. Im Hintergrund die Kathedrale und ansonsten das wunderschöne Land um uns herum. Ich genoss den Anblick eine Weile und mache mich dann auf den Weg zum Hotel. Dort holte ich dann meinen Rucksack ab, ging noch auf einen Kaffee in ein Café und schlenderte dann zur Busstation. Hier hätte ich um ein Haar an der falschen Stelle gewartet, aber dann sah ich zufällig den Bus und er brachte mich auch pünktlich zum Bahnhof.


Schon gestern in Valladolid waren wir die verschärften Sicherheitsvorkehrungen aufgefallen. Das Gepäck wurde durchleuchtet und man selber teilweise abgetastet. So auch hier in Segovia. Hat man hier schlechte Erfahrungen gemacht?

Aber dass ich hier bin, beweist erst mal, dass die erste Strecke (Segovia nach Madrid - Chamartin) geklappt hat. Dort werde ich umsteigen in einen Regionalzug und nach Atocha fahren. Das ist unkritisch. Aber dann geht es weiter mit einem Fernzug nach Toledo. Ob das klappt?

Es klappte!

Aber wie?

Absolut stressig.

Es war so: der Zug fuhr in Chamartin ein und das ist wirklich mal ein großer Bahnhof. Mit langen Bahnsteigen und mit vielen Leuten. Also zwängte ich mich durch die Massen und lief erst mal in Richtung Ausgang. 

An einer Information sagte man mir, dass ich ein Ticket kaufen müsse. Das wusste ich natürlich, aber die waren online leider nicht zu bekommen. Also stellte ich mich an und kaufte ein Ticket. Dann im Galopp zum Bahnsteig 9, wo der Zug schon stand. 1. Teil geschafft! Der Zug fuhr dann nach 15 Minuten in Atocha ein. Da rannte ich dann wieder in Richtung Ausgang.  

Vergeblich suchte ich nach irgendeinem Display oder einem anderen Hinweis, wo man von dem S-Bahnhof zum „normalen“ Bahnhof kam: vergeblich.

Dann sah ich eine Information. Die freundliche Frau zeigte in eine Richtung, in die ich gehen sollte, aber dazwischen waren Sperren, die man nur mit einer Chipkarte aufmachen konnte.

Wir redeten (ich englisch, sie spanisch) bis irgendwann klar wurde, dass sie mir eine Schranke aufmachen würde. Danach sollte ich nach links laufen.

Und jetzt fing ich tatsächlich an, zu rennen. Links fand ich eine weitere Information, wo noch Leute vor mir standen. Die Zeit rann dahin. Man sagte mir, dass ich geradeaus und dann links laufen solle. Welches Gleis? fragte ich. Das können Sie da auf einem Display lesen! war die Antwort. 

Keine Zeit, zu streiten. Also weiterlaufen. Geradeaus, dann links, und da war tatsächlich ein Display! Gleis 15! 

Verdammt! Wo ist das jetzt. Ich fragte einen Security-Mann und der wies auf einen Pfeil: da sollte ich langlaufen. An dem Pfeil war ein weiterer Security-Check mit Durchleuchten, aber ein Gleis 15 war nirgend zu sehen. Ich fragte erneut und bekam zur Antwort: Ganz am Ende der Halle. 

Wieder weiterlaufen.

Erneute Ticket-Kontrolle.

Der Zug stand da. 

Ich musste zu Wagen 14 und stand vor Wagen 1. Ich bin dann bis zu Wagen 5 gelaufen (die sind wirklich sehr lang) und habe mich einfach irgendwo hingesetzt. 

Puuuuh!

Geschafft. 

Ich habe den Zug erreicht und er wird nicht bestreikt. 

Ende gut, alles gut! Darauf trinke ich heute Abend ein Bier. Aber keine „Vaso“, sondern eine „Jarra“. Da ist mehr drin….



Kommentare

  1. Ich fühle mich genauso, wie Sie jeden Tag die kleinen Teile dieser Reise aufzeichnen.Manche kleine Situationen sind immer einprägsam.Das Schloss ist wunderschön.

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